14. März 2023

Rechtsprechungsnews aus der Welt des Sport- und Entertainmentrechts 2023/I

Von: Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.

I. Dringlichkeitsschädliche Ausschöpfung der Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren – Vollziehung der Urteilsverfügung

1.

In einem Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart (Az: 4 U 63/22), in welchem die Verfügungsbeklagte von uns vertreten wurde, hat der Senat in einer Verfügung den Verfügungskläger darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Bewertung und eingehender Beratung im Senat die vollständige Ausschöpfung der dem Verfügungskläger gewährten Berufungsbegründungsfrist, die für den Erlass der einstweiligen Verfügung notwendige Dringlichkeit entfallen lassen kann.

Anmerkung (Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.):

Das OLG Stuttgart hält damit an seiner bisherigen Rechtsaufassung fest (vgl. nur OLG Stuttgart, GRUR-RS 2022, 2477 Rn. 22), die auch von anderen Gerichten geteilt wird (OLG Frankfurt, GRUR-RS 2021, 29425 Rn. 43 m.w.N.; OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 78 f.).

2.

Zudem hat der Senat in der Verfügung auch Ausführungen zur notwendigen Vollziehung einer Urteilsverfügung gemacht.

Nach § 927 Abs. 1 ZPO iVm § 936 ZPO ist auf Antrag eine einstweilige Verfügung aufzuheben, wenn deren Vollziehung nicht innerhalb der Monatsfrist nach § 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO iVm § 936 ZPO erfolgt ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 927 Rn. 6). Für die Vollziehung einer durch Urteil ergangenen Unterlassungsverfügung bedarf es regelmäßig der - nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten hier nicht erfolgten - Zustellung des Titels im Parteibetrieb. Eine nur von Amts wegen an die Verfügungsbeklagte bewirkte Zustellung genügt indessen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 78 f, 86; Musielak/Voit/Huber, 19. Aufl., ZPO, § 936 Rn. 4). Auch ist nicht ersichtlich, dass der Verfügungskläger innerhalb der Vollziehungsfrist die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Verfügungsbeklagte beantragt und damit von der einstweiligen Verfügung Gebrauch gemacht hätte (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1989 - IX ZR 148/88, NJW 1990, 122, 124).

Anmerkung (Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.):

Der Senat hat damit noch einmal explizit hervorgehoben, dass die von Amts wegen bewirkte Zustellung nicht ausreichend ist, um die Vollziehung einer Urteilsverfügung nachzuweisen.

II. Ausschluss des Widerrufsrechts beim Online-Kauf von Konzertkarten über Vermittler

EuGH, Urt. v. 31.03.2022 - Az. C 96/21

Der EuGH hat in der Entscheidung klagestellt, dass beim Online-Kauf von Eintrittskarten für Kultur- oder Sportveranstaltungen, wie beim Kauf unmittelbar beim Veranstalter, auch beim Kauf über einen Vermittler (hier: CTS Eventim) kein Widerrufsrecht des Käufers nach der Verbraucherschutzrichtlinie besteht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter treffen würde.

Ein Konzert, das am 24.03.2020 stattfinden sollte, wurde wegen Einschränkungen, welche die Behörden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erlassen hatten, abgesagt. Der Kläger, der für dieses Konzert über CTS Eventim online Eintrittskarten gekauft hatte, war mit einem Gutschein den der Konzertveranstalter ausgestellt hatte, nicht zufrieden und forderte von CTS Eventim die Rückzahlung des Kaufpreises. Das angerufene Amtsgericht Bremen legte den Fall dem EuGH vor.

Anmerkung (Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.):

Die Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen, da ansonsten das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter der betreffenden Freizeitbetätigung treffen würde, dies jedoch vom Gesetzgeber gerade ausgeschlossen werden sollte.

III. Transparenz von Sportregelungen mit Strafandrohung

OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.11.2022, Az. 11 U 60/21 (Kart)

Wird in einem Sportstatut darauf abgestellt, dass im Fall der Teilnahme an einer nicht anerkannten bzw. nicht genehmigten Veranstaltung eine Strafe verhängt werden kann, ist Grundvoraussetzung für eine rechtmäßige Sanktion gegen einen Sportler das Vorliegen rechtlich zulässiger Genehmigungsbestimmungen für die Veranstaltung, daran gebundener Teilnahmebestimmungen und transparent und diskriminierungsfreier Sanktionsregelungen.

Anmerkung (Dr. Thomas Himmer):

Der Kläger wandte sich als Motorsportler gegen einen deutschen Verband, der Motorsportveranstaltungen organisiert und diesbezügliche Lizenz- (Teilnahme)berechtigungen vergibt. Nachdem unter dem Dach des Verbandes über 90 % der Rallyeveranstaltungen stattfinden, hat der Verband eine marktbeherrschende Stellung inne, sodass Kartellrecht Anwendung findet. Im vorliegenden Fall wurden Regelungen als unverhältnismäßig befunden, da es ihnen an Klarheit und Transparenz hinsichtlich der Sanktionen fehlte.  Für die Verbandsunterworfenen muss grundsätzlich vorab klar und deutlich erkennbar sein, ob und in welchem Ausmaß ihr Verhalten Konsequenzen nach sich zieht und welche Konsequenzen das sind.

IV. Altersgrenze von Schiedsrichtern im Profifußball

LG Frankfurt am Main, Urt. v. 25. 1.2023, Az. 2-16 O 22/21 (nicht rechtskräftig)

1.

Einem Schiedsrichter steht eine Entschädigung wegen Alters­diskriminierung zu, wenn er aufgrund des Erreichens der Altersgrenze von 47 Jahren nicht mehr in die Schiedsrichterliste des Deutschen Fußballbundes (DFB) aufgenommen worden ist, auch wenn sich aus den DFB-Regelwerken keine Indizien für eine starre Altersgrenze ergeben.

2.

Die Benachteiligung ist auch nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Eine Altersgrenze kann zur Erreichung der legitimen Ziele der Förderung des Schiedsrichternachwuchses und des Erhalts einer ausgewogenen Altersstruktur auf der Eliteliste zwar geeignet sein, es mangele jedoch an der Erforderlichkeit einer solchen Grenze, da mit Leistungstests und ‑nachweisen gleich wirksame aber weniger eingriffsintensive Mittel zur Verfügung stehen, die an die persönliche Eignung der Schiedsrichter und die körperliche Ausprägung des Alters anknüpfen.

Anmerkung (Dr. Thomas Himmer):

Der frühere Schiedsrichter Manuel Gräfe erhielt im Zuge dieses Rechtsstreits vom DFB eine Entschädigung in Höhe von 48.500 €. Ohne Erfolg blieb jedoch die Forderung auf Ersatz von materiellen Schäden, insbesondere das Verlangen auf Zahlung von Verdienstausfall. Es war Gräfe nicht möglich darzulegen, dass er ohne die Altersgrenze tatsächlich bei der Listenaufstellung des DFB berücksichtigt worden wäre.

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