1. Keine Haftung des Presseinformanten als mittelbarer Störer für Pressebericht
BGH, Urt. v. 17.12.2024 – VI ZR 311/23, GRUR 2025, 431 – Vorwurf des Kindesmissbrauchs
Sachverhalt
Die Kläger nehmen den Beklagten als Quelle einer nach ihrer Auffassung ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzenden Berichterstattung in Anspruch. Sie verlangen von ihm, es zu unterlassen, ihre Identifikation im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs durch Einwilligung in die Veröffentlichung seines Bildnis-ses und seines Vor- und Nachnamens zu ermöglichen. Der Beklagte ist der Großvater der im Jahr 2004 geborenen Klägerin und des im Jahr 2007 geborenen Klägers.
Die beiden Enkel waren in ihrer Kindheit verhaltensauffällig gewesen. Die Eltern beauftragten eine Heilpraktikerin. Diese kam zu dem Ergebnis, die Auffälligkeiten der Kinder auf vermeintlichen sexuellen Missbrauch durch den Beklagten zurückführen sind. Der Vater der Kläger zeigte den Beklagten an. Das Ermittlungsverfahren wurde gem. § 170 II StPO eingestellt.
Im Rahmen einer Medienrecherche zu der Heilpraktikerin erklärte sich der Beklagte einverstanden, mit vollem Namen und Bild sowie dem Wohnort im Artikel genannt zu werden. Im Dezember 2020 veröffentlichte die Tochtergesellschaft der Streithelferin einen Artikel. Der Artikel wird mit einem Bildnis des Beklagten und seiner Ehe-frau eingeleitet. Der Vor- und Nachnamen des Beklagten wird genannt. Die Kläger werden mit durch Sternchen-hinweis kenntlich gemachten Pseudonymen bezeichnet werden.
Das LG gab der Klage zunächst statt, das OLG wies sie ab.
Entscheidung
Die Revision blieb erfolglos. Die identifizierende Darstellung in dem Artikel berühre die Kläger zwar in mehrfacher Hinsicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Frage, ob die Kläger sexuell missbraucht wurden, betreffe sie in ihrer Intimsphäre. Die Mitteilung der als behandlungsbedürftig bewerteten Befindlichkeiten berühre die Kläger in ihrer Privatsphäre (GRUR 2025, 431 Rn. 12 ff. d. Urt.). Die Berichterstattung ist auch rechtswidrig.
Der Beklagte sei allerdings nicht Störer iSv § 1004 I BGB analog. Er sei nicht der unmittelbare Störer. Eine Haftung als mittelbare Störer scheide ebenfalls aus. Grundsätzlich sei als mittelbarer Störer verantwortlich, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt.
Die Haftung als mittelbarer Störer dürfe aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben (GRUR 2025, 431 Rn. 33 d. Urt. mwN) Der Mitverursachungsbeitrag allein reiche zur Begründung der Verantwortlichkeit nicht aus; vielmehr bedürfe die Zurechnung der fremden Rechtsverletzung einer zusätzlichen Rechtfertigung. Nach diesen Grundsätzen sei der Beklagte nicht als mittelbarer Störer zu qualifizieren. Er habe keine zumutbaren Verhaltenspflichten verletzt. Er sei weder verpflichtet, von einer Einwilligung in die Veröffentlichung seines Namens und seines Lichtbildes im Zusammenhang mit einem vom Volontär des Verlags noch zu verfassenden Artikel abzusehen, noch sei er gehalten, die Erteilung seiner Einwilligung von der Zusage abhängig zu machen, dass ihm der Artikel vor der Veröffentlichung zur Überprüfung vorgelegt wird.
Anmerkung: Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.
Für die Identifizierbarkeit lässt der BGH wie bereits in der Vergangenheit genügen, wenn eine nicht namentlich genannte Person zumindest für einen Teil des Leser- oder Adressatenkreises aufgrund der gemachten Angaben hin-reichend erkennbar wird. Dabei genügt es, wenn sich die Identität des Betroffenen für einen Teil der Leser erst im Zusammenspiel mit deren sonstigen, also gerade nicht allein aus der Berichterstattung selbst abgeleiteten Kenntnissen ergibt oder mühelos ermitteln lässt (vgl. BeckRS 2015, 16604 = GRUR-Prax 2015, 467 [Czernik]).
Darüber hinaus führt er mit der Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung fort. Bereits im Jahr 2010 hatte der BGH festgestellt, dass der Betreiber eines Bildarchivs vor der Weitergabe archivierter Fotos an die Presse grundsätzlich nicht die Zulässigkeit der beabsichtigten Presseberichterstattung nach Maßgabe der §§ 22, 23 KUG prüfen muss (GRUR 2011, 266 – Jahrhundertmörder = GRUR-Prax 2011, 64 [Czernik]; so auch LG Hamburg, BeckRS 2007, 15378) Zu diesem Ansatz kommt der BGH über verfassungsrechtliche Überlegungen im Hinblick auf die Pressefreiheit. Diese umfasse nicht nur Presse im engeren Sinne, sondern auch die typischerweise pressebezogene Hilfstätigkeit eines internen Bildarchivs. Diesen liberalen Ansatz übernimmt der BGH im vorliegenden Fall und bekräftig, dass die Verantwortung für die redaktionelle Gestaltung einer Veröffentlichung grundsätzlich allein der Presse obliegt.
2. Umlage von Polizeikosten bei Hochrisikospielen im Fußball - BVerfG, Urt. v. 14.1.2025, Az. 1 BvR 548/22
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Bundesländer von Fußballvereinen Gebühren für zusätzliche Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen verlangen dürfen. Diese Gebühren gelten als Gegenleistung für die erhöhte Gefahrenvorsorge, die solche Spiele erfordern. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hatte gegen eine entsprechende Regelung des Landes Bremen geklagt, blieb jedoch erfolglos. Das Gericht betonte, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, wonach polizeiliche Gefahrenvorsorge stets kostenfrei sein muss, und dass es legitim ist, Mehrkosten auf diejenigen abzuwälzen, die mit den Veranstaltungen Gewinne erzielen.
Anmerkung Dr. Thomas Himmer:
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung für zusätzliche Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen und setzt damit ein Signal für die Finanzierung staatlicher Sicherheitsmaßnahmen. Aus juristischer Perspektive verdeutlicht die Entscheidung, dass Veranstalter nicht generell von den Kosten für polizeiliche Gefahrenabwehr ausgenommen sind, wenn ihre Events ein erhöhtes Risiko mit sich bringen. Dennoch bleibt abzuwarten, wie andere Bundesländer mit dieser Regelung umgehen und ob künftig weitere rechtliche Auseinandersetzungen zur konkreten Höhe und Berechnung der Gebühren folgen.
3. Haftung bei Fouls im Fußball - OLG München, Hinweisbeschl. v. 30.1.2025, Az.19 U 3374/24e
Im Fußball gilt grundsätzlich ein Haftungsausschluss für Verletzungen, da Spieler Verletzungsrisiken bewusst eingehen. Eine Haftung kommt nur in Betracht, wenn ein gewichtiger Regelverstoß oder grob fahrlässiges Verhalten nachweisbar ist. Ein normaler Zweikampf oder ein Foulspiel, das Teil des typischen Spielgeschehens ist, begründet keine Schadensersatzpflicht. Entscheidend ist, ob der Spieler den Ball spielen wollte und scheiterte oder ob er gezielt nur den Gegner attackierte. Die Beweislast für ein grob fahrlässiges Foul trägt der Verletzte.
4. Verkehrssicherungspflichten auf Golfplätzen - LG München I, Urt. v. 10.12.2024, Az. 13 O 7261/24
Ein Golfplatzbetreiber haftet nicht für Stürze auf natürlicherweise vorkommenden Grasbüscheln oder Rasenmahd, da diese als typische und vorhersehbare Gefahren des Sports gelten. Im vorliegenden Fall wies das Landgericht München I die Klage einer verletzten Golferin ab, da keine atypische Gefahrenquelle vorlag und von ihr eine angemessene Eigensorgfalt erwartet werden konnte. Zudem konnte sie nicht zweifelsfrei nachweisen, dass das feuchte Gras die alleinige Ursache ihres Unfalls war.