5. November 2024

Rechtsprechungsnews aus der Welt des Sport- und Entertainmentrechts 2024/III

Von: Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.

1. LG Hamburg (24. Zivilkammer), Beschluss vom 31.01.2024 – 324 O 38/24 (GRUR-RS 2024, 4440)

Unzulässige Bildberichterstattung über Unfallbeteiligten

Leitsätze:

1.

Die erforderliche Schwere eines Eingriffs in das postmortale Persönlichkeitsrecht ist nicht am Maßstab einer subjektiv empfundenen Verletzungsintensität zu bestimmen, sondern danach, ob die geltend gemachte Verletzung eine solche ist, die einen Eingriff in den Kernbereich der Menschenwürde des Verstorbenen oder eine ähnlich schwerwiegende Verletzungshandlung darstellt.

2.

Ist unklar, ob ein Fehlverhalten eines Unfallbeteiligten zu dem Unfall geführt hat, ist es nicht zulässig, diesen der Öffentlichkeit als Unfallverursacher auch bildlich (nahezu unverpixelt) zu präsentieren.

Anmerkungen von Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Kitzberger:

Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass die Wortberichterstattung über den Verstorbenen nicht das postmortale Persönlichkeitsrecht verletzt, da keine schweren Eingriffe in Form von groben Verzerrungen des Lebensbildes oder Eingriffen in den Kernbereich der Menschenwürde vorliegen. Es wurde angenommen, dass der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt Alkohol und Drogen konsumiert hatte und keine Fahrerlaubnis besaß. Die Möglichkeit, dass überhöhte Geschwindigkeit zum Unfall beigetragen haben könnte, basiert nur auf Aussagen von Anwohnern und wird im Kontext der Berichterstattung als solche dargestellt, sodass keine schwerwiegende Verzerrung des Lebensbildes des verstorbenen stattfindet.

Anders verhält es sich mit der Bildberichterstattung. Das Landgericht hat der Antragstellerin, der Ehefrau des Verstorbenen, ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 22, 23 KUG zugesprochen, da die Einwilligung zur Veröffentlichung der Bilder, die den Verstorbenen nahezu unverpixelt zeigen, nicht erteilt wurde und die Unfallursache nicht geklärt ist. Daher darf der Verstorbene nicht bildlich als Unfallverursacher präsentiert werden.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 5/8 von der Antragstellerin und zu 3/8 von der Antragsgegnerin getragen. Der Streitwert wurde auf 80.000 Euro festgesetzt.

2. LG Hamburg - 7 U 30/24 (GRUR-RS 2024, 13265)

Abbildung von Kindern in der Bildberichterstattung über Wahlkampf

Anmerkungen von Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Kitzberger:

In einem Bericht über den Bürgermeisterwahlkampf der AfD in Schwerin druckte der Spiegel ein ganzseitiges Foto von Kindergartenkindern in lokaler Tracht ab, die an einem AfD-Wahlkampfstand vorbeiliefen. Die Kinder verklagten den Spiegel nun erfolgreich vor dem Landgericht Hamburg.

Nach Auffassung des Landgerichts, darf der Spiegel für seine Berichterstattung kein Foto von Kindern abdrucken, die in lokaler Tracht gekleidet vor einem AfD-Wahlkampfstand vorbeilaufen. Damit sich eine Redaktion auf die Ausnahme des „Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ berufen kann, müsse ihr Veröffentlichungsinteresse die Rechte der Abgebildeten überwiegen – dies sei hier nicht der Fall. Die Erkennbarkeit der Kinder sei nicht ausgeschlossen, obwohl sie nur im Profil abgebildet waren. Für die Feststellung der Erkennbarkeit könne auch eine lokale Tracht eine Rolle spielen.

Auf dem Bild, das sowohl in Ausgabe Nr. 25 des Spiegels als auch auf der Spiegel Homepage veröffentlicht wurde, waren Kinder zu sehen, die sich auf dem Weg zu einem Seniorenheim befanden. Dort sollten sie, im Rahmen einer Kita-Tanzgruppe, in Tracht tanzen und auf Plattdeutsch singen. Außerdem war ein AfD-Wahlkampfstand zu sehen, an dem sich eine örtliche Blumenhändlerin mit dem Standbetreiber unterhielt. Die Kinder standen dabei in keinem Zusammenhang mit dem Wahlkampfstand. Der Spiegel schrieb zu dem Bild:

„Eine Kindergruppe in Tracht läuft vorbei, auf dem Weg zu einer kleinen Tanzaufführung in einem der nahe gelegenen Seniorenheime. Die Mädchen tragen Kopftücher und lange Röcke, die Jungen braune Dreiviertel-Hosen. Die Blumenhändlerin neben dem Stand erklärt ganz ungefragt, dass sie die A. unterstützt.“

Da die Eltern der Kinder in diese Veröffentlichung nicht eingewilligt hatten, mahnten sie den Spiegel im Namen der Kinder zunächst ab. Da der Verlag nicht zum Abgeben einer Unterlassungsverpflichtung bereit war, klagten sie. Die 24. Zivilkammer stellte klar, was bei der Beurteilung als „Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG)) zu beachten ist.

Zuerst beschäftigte sich das Gericht mit dem Einwand des Spiegels, dass die Kinder auf dem Bild kaum bzw. gar nicht erkennbar gewesen seien. Dem Verlag zufolge sei eine Erkennbarkeit „fernliegend“ gewesen, da sich die Identität der Kinder nicht „ohne Weiteres“ aus den Bildern ergeben hätte. Das Gericht führte dazu allerdings aus, dass der Begriff der Erkennbarkeit sehr weit ausgelegt werde. Demnach reiche es, dass Betroffene nur „Anlass zur Befürchtung“ haben, erkannt zu werden; konkret etwa dann, wenn markante Eigenschaften wie Frisur, Statur oder Kleidung zu sehen seien. Das sei bei den Kindern der Fall gewesen und würde durch die Trachten nur noch verstärkt, da zumindest der engere Bekanntenkreis der Kinder sie anhand dessen als Teil der Tanzgruppe wiedererkennen könne.

Da die Eltern in die Veröffentlichung nicht eingewilligt hatten (§ 22 KUG) musste eine Ausnahme des § 23 KUG greifen; hier berief sich der Spiegel darauf, dass das Bild ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sei. Der Verlag argumentierte, dass die Kinder Teil der zeitgeschichtlichen Situation des Straßenwahlkampfes gewesen seien, den man nur kontextgerecht habe illustrieren wollen. Das Gericht stellte schon für die Frage, ob überhaupt ein Bildnis aus der Zeitgeschichte vorlag, eine Abwägung mit den Rechten der Kinder an. Damit ein solches Bildnis vorliegt, müsse die Situation zunächst von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse sein. Dieses Interesse sei aber dort eingeschränkt, wo die Rechte der Betroffenen missachtet würden.

 Das Landgericht gestand dem Spiegel zu, dass es durchaus ein Informationsinteresse daran gebe, wie sich der Wahlkampf einer politischen Partei „auf der Straße“ abspielt. Das gelte für den Wahlkampf der AfD umso mehr, da dieser in besonderer Weise polarisiert und an ihren Wahlständen für gewöhnlich Anhänger unterschiedlicher politischer Meinungen aufeinanderträfen. Die Abbildung sei auch authentisch und unstreitig nicht manipuliert oder gestellt.

Trotzdem würden die Rechte der Kinder in diesem Fall das Interesse der Öffentlichkeit überwiegen. Das Gericht nahm Bezug auf das Bundesverfassungsgericht und stellte heraus, dass Heranwachsende, Jugendliche und Kinder eines besonderen Schutzes bedurften, weil sie „sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen“. Dabei gehöre es gerade zur kindestypischen Entfaltung, sich in der Öffentlichkeit bewegen zu können, ohne eine Berichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen. Anders liege es nur, wenn Eltern mit ihren Kindern bewusst an die Öffentlichkeit treten. So etwa, wenn sie an öffentlichen Veranstaltungen teilnähmen oder in deren Mittelpunkt stünden.

Die sechsjährigen Kinder hatten sich in diesem Fall gerade nicht bewusst der Öffentlichkeit zugewandt, sondern waren nur zufällig zugegen. Damit waren sie laut den Ausführungen des Gerichts in vollem Maße schutzwürdig.

3. EuGH, Urt. v. 04.10.2024, Az. C-650/22 – FIFA-Transferregeln verstoßen gegen EU-Recht

Der Fußballprofi Lassane Diarra war wegen vertragswidrigen Verhaltens von seinem damaligen Arbeitgeber Lokomotive Moskau „aus triftigem Grund“ gekündigt und von der FIFA/dem CAS zu einer Entschädigung von 10,5 Mio. EUR verurteilt worden.

Er fand im Anschluss daran lange Zeit keinen neuen Verein, seiner Darstellung nach vor allem weil nach Art. 17.2 des FIFA-Reglements betreffend Status und Transfers von Spielern (RSTP) der neue Verein des Spielers automatisch und streng akzessorisch für diese Entschädigung mithaftet und daneben gem. Art. 17.4 RSTP vermutet wird, dass er den Spieler zu dem den Wechsel ermöglichenden Vertragsbruch angestiftet hat. Ferner sah Art. 8.2.7 von Anhang 3 zu den RSTP in der seinerzeit geltenden Fassung vor, dass der alte Verein keine Freigabe erteilt, solange zwischen ihm und dem Spieler noch eine (Bestands-) Streitigkeit anhängig ist.

Im Sinne der zunehmend verbandskritischen Haltung des EuGH nahm er wenig überraschend einen Verstoß der zur Überprüfung gestellten Regelungen gegen Art. 45 AEUV sowie gegen Art. 101 AEUV an (C650/22). Der EuGH erachtete dabei die von der FIFA mit den Regelungen verfolgten Ziele (insbesondere Vertragsstabilität und Integrität des Wettbewerbs) als legitim, hielt aber die zu deren Erreichung getroffenen Regelungen für in ihrer Reichweite nicht erforderlich.

Anmerkungen von Rechtsanwalt Dr. Thomas Himmer:

Das gegenwärtige Transfersystem ist entgegen vielfach geäußerter Auffassung in seinem Kern nicht vom Urteil betroffen. Anders als in der „Bosman-Entscheidung“ geht es nicht um Regelungen, die die Voraussetzungen eines Spielertransfers betreffen, sondern um solche, die die wirtschaftlichen und disziplinarischen Folgen eines Wechsels unter Vertragsbruch zum Gegenstand haben.

Indem Vereine nicht mehr gesamtschuldnerisch mithaften und ihnen auch keine Transfersperre droht, kann es allerdings attraktiver werden, bewusst einen Vertragsbruch zu riskieren, um so einen deutlich günstigeren Wechsel herbeizuführen als im Wege eines einvernehmlichen Transfers. Ob solche kollusiven Fälle aber auch von der „Diarra-Entscheidung“ umfasst sind bzw. bei zu erwartenden Neuregelungen der FIFA in Orientierung an den Vorgaben des EuGH zulässigerweise in ähnlicher Weise normiert werden wie in den laut EuGH zu weitreichend gefassten aktuellen Vorschriften, bleibt der weiteren Rechtsentwicklung durch die Regelungsgeber und Spruchkörper vorbehalten.

(Weitere Ausführungen in Rain/Himmer, NJW-aktuell 44/2024, S. 15)

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