23. Juni 2022

Rechtsprechungsnews aus der Welt des Sport- und Entertainmentrechts 2022/II

Von: Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.

I.

Einstweilige Zulassung zu den Paralympischen Winterspielen

OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.1.2022 – Az. 6 W 1/22 [Kart] (rechtskräftig)

1.
Eine Schiedsgerichtsvereinbarung im Bereich des internationalen Sports, die die Bestimmung und Zusammensetzung der Mitglieder des Schiedsgerichts dem alleinigen freien Ermessen einer Schiedspartei überlässt, ist unwirksam.

2.
Der International Paralympics Committee e. V., der nach dem „Ein-Platz-Prinzip“ internationale Sportveranstaltungen organisiert, ist hinsichtlich der Zulassung der Athleten zu den von ihm organisierten Sportwettbewerben marktbeherrschend. Er hat daher die Vorgaben des § 19 GWB zu beachten.

Anmerkung (Dr. Thomas Himmer):

Ausgangspunkt des Verfahrens war die Entscheidung des IPC, bei den Paralympischen Winterspielen Beijing 2022 die für die Klägerin, einer oberschenkelamputierten Snowboarderin, relevante Wettbewerbsklasse nicht auszutragen. Daraufhin begehrte die Klägerin, in einer gleichen Klasse der Männer bzw. einer anderen Wettbewerbsklasse der Frauen zugelassen zu werden, in der sie gegenüber den anderen Teilnehmerinnen einen physischen Nachteil gehabt hätte. Das Gericht stellte unter anderem fest, dass die ausgesprochene Nichtzulassung des IPC nicht mit dem Schutzzweck der Zulassungsregeln, einen physischen Wettbewerbsvorteil der Teilnehmer zu vermeiden, begründet werden könne.

II.

Keine Erstattungsansprüche für den Verein bei Quarantäneanordnung gegenüber Profifußballer

OLG Hamm, Urteil vom 29.10.2021 – Az. 11 U 60/21 (rechtskräftig)

1.
Für die Zeit einer häuslichen Quarantäne kann einem Profifußballer ein arbeitsrechtlicher Vergütungsanspruch gem. § 611a BGB gegen den ihn beschäftigenden Verein, seinen Arbeitgeber, zustehen, wenn er nach der Einstellung des regulären Spiel- und Trainingsbetriebs einen vom Verein vorgegebenen häuslichen Trainingsplan zu befolgen hat.

2.
Ein Vergütungsanspruch gem. § 615 BGB kommt in Betracht, wenn die Quarantäne aus betriebsbezogenen Gründen angeordnet werden musste, z.B. weil der unter Quarantäne gestellte Spieler während des Trainings Kontakt zu einem mit Corona infizierten Mitspieler hatte.

3.
Bei einer 14-tägigen Quarantäne kann der Spieler zudem für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an seiner Arbeitsleistung gehindert gewesen sein, so dass ihm ggfls. ein Vergütungsanspruch gem. § 616 BGB zustünde.

4.
Die Voraussetzungen für eine Entschädigung des Vereins als Arbeitgeber gem. 56 IfSG liegen nicht vor, wenn er aus einem der genannten Gründe zur Zahlung der – nunmehr als Entschädigung verlangten - Vergütung an den Spieler verpflichtet war.

III.

Einteilung in 2. Tennis-Bundesliga durch einstweilige Verfügung

LG Hamburg, Urteil vom 24.1.2022 – Az. 313 T 2/22 (rechtskräftig)

1.
Die Spielwertungsentscheidung eines Verbandsgerichts, das im Verfahren einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden im Widerspruch zur eigenen Verfahrensordnung ablehnte und der abgelehnte Richter im Folgenden am Verfahren teilnimmt, ist rechtswidrig, sodass die Entscheidung vor staatlichen Gerichten überprüfbar ist.

2.
Es kann im Wege der Sicherungsverfügung die Teilnahme an einem Bundesliga-Wettbewerb angeordnet werden, wenn die den Teilnahmeanspruch geltend machende Mannschaft die Voraussetzungen der satzungsmäßigen Bestimmungen für die Teilnahme an dem Wettbewerb erfüllt.

Anmerkung (Dr. Thomas Himmer):

Das LG Hamburg hat in dem vorliegenden Eilverfahren den Abstieg eines Tennis-Vereins aus der 2. Bundeliga für unwirksam erklärt, nachdem der Gegner dieses Vereins im entscheidenden Spiel einen Spieler aufgeboten hatte, der sich wegen der Coronavirus-Einreiseverordnung aufgrund eines vorhergehenden Aufenthalts in einem Hochinzidenzgebiet in Absonderung hätte begeben müssen. Bei einer nach Verbandsrecht vorgesehenen Spielwertung wäre der Verein rechnerisch nicht mehr auf einem Abstiegsplatz gestanden.

IV.

Bezahlte Kundenbewertungen müssen auf Amazon kenntlich gemacht werden

OLG Frankfurt, Urteil vom 09.06.2022 – 6 U 232/21 (noch nicht rechtskräftig)

1.
Fließen in das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf einer Verkaufsplattform angeboten werden, auch Rezensionen ein, für die an den Rezensenten ein - wenn auch geringes - Entgelt gezahlt wird, und es wird die Berücksichtigung dieser bezahlten Rezensionen nicht kenntlich gemacht, handelt es sich um einen Fall der unlauteren getarnten Werbung.

2.
Kundenbewertungen zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rezensionen bezahlt wurden ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts unlauter. Ob Internetnutzer damit rechneten, dass in ein Gesamtbewertungsergebnis auch immer Rezensionen einfließen, die nicht sachlich begründet sein, könne offenbleiben. Dies dürfe jedenfalls „kein Freibrief dafür sein, beeinflusste Rezensionen zu verwenden“

Anmerkung (Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.)

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat damit die Entscheidung des Landgerichts bestätigt. Die gegen die vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung gerichtete Berufung von Amazon hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

V.

Suchmaschinenbetreiber müssen Anträge auf Löschung von Links prüfen

Schlussantrag des genannten Generalanwalts vom 07.04.2022 - C-460/20 (anhängig)

1.
Nach Auffassung des Generalanwalts beim EuGH, Giovanni Pitruzzella, in seinen Schlussanträgen sind Suchmaschinenbetreiber (hier: Google) verpflichtet, die Anträge auf Auflistung von Links wegen angeblicher falscher Informationen im Rahmen ihrer konkreten Möglichkeiten zu prüfen, wobei die Betroffenen im Antrag einen Anfangsbeweis für die Unrichtigkeit der Informationen erbringen müssen.

2.
Die Kläger, ein Paar aus der Finanzbranche, erhoben gegen Google Klage auf Auslistung von Links auf die Artikel, die bei Eingabe ihrer Namen und/oder der Unternehmen durch die Suchmaschine ausgeworfen wurden, da die Artikel ihnen zufolge unrichtige Behauptungen und verleumderische Ansichten enthielten, die auf unwahren Tatsachen beruhten. Ferner begehrten sie die Entfernung der Vorschaubilder aus den Ergebnissen einer Bildersuche.

Anmerkung (Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.)

Sollte die Auffassung des Generalstaatsanwalts vor dem EuGH bestätigt werden, muss der Suchmaschinenanbieter in seiner besonderen Verantwortung eine aktive Rolle bei der Löschung der Ergebnisse der Suche nach Inhalten spielen. Von den Betroffenen kann nicht verlangt werden, sich an den Herausgeber der Website zu wenden, um die Entfernung des angeblich unrichtigen Inhalts zu verlangen.

VI.

Instagram muss nach Persönlichkeitsrechtsverletzung Auskunft erteilen

OLG Schleswig, Beschluss vom 23.03.2022 – 9 Wx 23/21

1.
§ 21 Abs. 2 TTDSG beinhaltet eine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage für eine Auskunftspflicht des Betreibers einer Social-Media-Plattform – hier Instagram – gegenüber den betroffenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

2.
Die Betreiberin der Social-Media-Plattform Instagram muss nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig Auskunft über den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer eines Nutzers erteilen, wenn durch den Inhalt des Nutzer-Accounts eine strafrechtlich relevante Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Anspruch auf Auskunftserteilung über Bestandsdaten gegenüber der Betreiberin der Social-Media-Plattform nach § 21 Abs. 2, Abs. 3 TTDSG Erfolg. Ein solcher Auskunftsanspruch besteht soweit die Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte auf grundrechtswidriger Inhalte erforderlich ist.

3.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts erfüllten im vorliegenden Fall die Schaffung eines Fake-Accounts und das Einstellen der Fotos mit Kommentaren im Zusammenhang gesehen den Tatbestand der Beleidigung im Sinne des § 185 StGB.

Anmerkung (Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.)

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Um Rechte gegenüber dem unbekannten Ersteller eines Fake-Accounts gerichtlich geltend machen zu können, ist der Verletzte auf die Auskunft der Betreiberin der Plattform angewiesen. Eine andere Möglichkeit, den Ersteller des Nutzerkontos zu ermitteln, besteht nicht.

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