2. Juni 2012

Pro7 zahlt 75.000 EUR Werbeabschöpfung wegen Stefan Raabs "Bimmel Bingo"

Von: Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.

Die Länder dürfen in ihren Landesmediengesetzen vorsehen, dass private Fernsehsender an die Landesmedienanstalt Werbeeinnahmen abführen müssen, die sie für Sendungen vereinnahmt haben, die die Landesmedienanstalt als rechtswidrig beanstandet (hier: Stefan Raabs "Bimmel Bingo"). Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.
Die Klägerin betreibt den Fernsehsender ProSieben, der in seinem Programm die Sendereihe "TV total" ausstrahlt. Innerhalb dieser Sendungen gab es Beiträge mit dem Titel "Bimmel-Bingo". Dabei klingelte ein Kamerateam unangekündigt nachts an Wohnungstüren, um deren Bewohner zu wecken und sie dadurch zur Mitwirkung an der Sendung zu bewegen, dass ihnen für drastisch ihre Verärgerung ausdrückende "Begrüßungssätze" ein Geldgewinn in Aussicht gestellt wurde. Hierbei wurden regelmäßig zunächst das Klingelschild mit dem Familiennamen und später die mit Namen angesprochenen Bewohner in Schlafbekleidung gezeigt. In zwei Sendebeiträgen war durch sofortiges Zuschlagen der Haustür, Herunterlassen von Jalousien oder Drohung mit der Polizei deutlich erkennbar, dass kein Einverständnis mit dem Wecken und den Filmaufnahmen bestand. Unter anderem diese beiden Beiträge hat die beklagte Medienanstalt Berlin-Brandenburg auf der Grundlage einer Vorschrift des Medienstaatsvertrages zwischen Berlin und Brandenburg beanstandet, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und ihr Recht am eigenen Bild verletzt hätten sowie das Wachklingeln und die Störung der Nachtruhe geeignet gewesen seien, die körperliche Unversehrtheit sowie das Wohlbefinden der Betroffenen bis hin zur Zufügung erheblicher Schäden zu beeinträchtigen. Zugleich hat die beklagte Medienanstalt die Klägerin aufgefordert mitzuteilen, welche Werbeeinnahmen sie im Zusammenhang mit den beanstandeten Sendungen erzielt habe. Nach fruchtlosem Ablauf der hierfür gesetzten Frist hat die beklagte Medienanstalt die Werbeeinnahmen auf 75 000 € geschätzt und deren Abführung an die Medienanstalt verlangt. Die Klägerin hat nach Teilrücknahme ihrer Klage sich nur noch gegen das Verlangen nach Auskunft und Abführung der geschätzten Werbeeinnahmen gewandt, hingegen nicht mehr gegen die Beanstandung der Sendebeiträge. Nachdem die Klage gegen die Abschöpfung der Werbeeinnahmen bei dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg hatte, hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die noch anhängige Klage im Berufungsverfahren insgesamt abgewiesen.
Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die hier einschlägige Vorschrift des Medienstaatsvertrages über die Abschöpfung von Werbeeinnahmen aus einer als rechtswidrig beanstandeten Sendung mit Bundesrecht, insbesondere dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Länder besitzen die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass einer derartigen Regelung. Sie gehört nicht zur Regelungsmaterie des Strafrechts. Für sie besitzt allerdings der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Von ihr hat er mit dem Strafgesetzbuch auch durch den Erlass von Vorschriften Gebrauch gemacht, die den Verfall von Vermögenswerten vorsehen, die aus einer Straftat erlangt sind. Die Beanstandung einer Fernsehsendung durch die Medienanstalt und als deren Folge die Abschöpfung der Werbeeinnahmen knüpfen jedoch an die Rechtswidrigkeit der ausgestrahlten Sendung an. Die Rechtswidrigkeit kann sich aus einem Verstoß gegen Strafvorschriften, aber auch aus einem Verstoß gegen jede andere Rechtsnorm ergeben. Die Beanstandung einer Sendung und die Abschöpfung der Werbeeinnahmen sind Maßnahmen der Medienaufsicht, durch die nicht strafrechtliches Unrecht sanktioniert, sondern die Einhaltung der rundfunkrechtlichen Bindungen effektiv sichergestellt werden soll, denen die privaten Rundfunkveranstalter unterliegen. Soweit eine beanstandete Sendung zugleich einen Straftatbestand erfüllt und deshalb in einem Strafverfahren der Verfall der Werbeeinnahmen angeordnet werden kann, kann die Medienanstalt durch entsprechende Regelungen in ihrem Bescheid sicherstellen, dass der Fernsehveranstalter nicht doppelt in Anspruch genommen werden kann. Die Regelung verstößt nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eine Beanstandung von Sendungen mit Abschöpfung erzielter Werbeeinnahmen nicht vorgesehen ist. Die privaten Rundfunkveranstalter einerseits und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten andererseits unterliegen im Rahmen der dualen Ordnung des Rundfunks einer unterschiedlichen Rundfunkaufsicht mit jeweils eigenständigen Zuständigkeiten und Regelungen. Die Mittel der Rundfunkaufsicht müssen deshalb nicht identisch sein.
BVerwG 6 C 22.11 - Urteil vom 23. Mai 2012

Quelle: mit Pressemitteilung des BVerwG v. 23.05.2012

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